Von allerlei Aberglauben

Auch wenn aus Wiedikon keine Hexenverbrennung bekannt ist, der uralte Hexen- und Teufelsglaube lag immer irgendwie in der Luft und zeigte sich darum bei jeder Gelegenheit nach. Aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts können davon Beispiele erzählt werden.

So geriet mehrmals die alte Schwiegermutter aus dem Haus Nr. 16 (die heutige Bäckerei Wagner) in den Dorfklatsch. Einmal wurde der Knecht ausgefragt, ob er eigentlich nicht wisse, dass die Mutter seiner Meisterin eine Hexe und deswegen schon gefoltert worden sei. Als sie gestorben war, blieb der Argwohn bestehen, und es wurde herumgeboten, sie habe ihrem Schwiegersohn auf dem Totenbett gestanden, eine Hexe gewesen zu sein.

An einem Sonntagnachmittag waren ein paar Burschen in einer Bauernstube beisammen. Einer von ihnen hatte "Milch gegessen", worauf ihm übel wurde und ihm der Mund und der Kopf anschwollen. Man suchte die Schuld sogleich bei der alten Frau, welche auch in der Stube gesessen hatte. Sie habe dann ein Bündel zubereitet und dem Burschen gegeben, um es um den Hals zu hängen, worauf er gleich wieder gesund wurde. So kam sie in den Verdacht der Hexerei und wurde vor Gericht geladen. Sie gab an, ungewöhnliche Heilmittel aus einem Buch ihres verstorbenen Mannes zu kennen. Sie sei nun 80 Jahre alt und ziehe seit 20 Jahren im Lande herum, arbeite da und dort im Taglohn. Sie dürfe in einem Tenn (von Haus Nr. 54) übernachten und bekomme meist zu St. Jakob zu essen. Wie wenig man ihr traute, zeigt sich daran, dass gleich gefragt wurde, ob man dem Vieh nichts angemerkt habe.

Bemerkung:
Der obige Text wurde aus dem Buch "Wiedikons Hausgeschichten", von Paul Etter, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Ortsgeschichtlichen Kommission des Quartiervereins Wiedikon, zitiert.